Ein Wort zum Tag

Er ist erst 12-jährig, der kleine Junge, als er erlebt, wie seine ziemlich wohlhabenden Eltern von der Regierung enteignet werden. Reichtum, Wohlstand gelten als schlecht, als unfair. Alle sollen gleich viel haben. Also wird denen weggenommen, die mehr haben. Der kleine Junge weiss nicht, wo das hinführt.
Knapp zwanzig Jahre später sorgt der mittlerweile erwachsene Mann für Aufregung. Er wagt es, die Regierung zu kritisieren. Soeben sind Panzer einer ausländischen Macht in seine Stadt gerollt. Studenten haben es gewagt, mehr Freiheit zu verlangen, gegen die staatliche Bevormundung auf die Strasse zu gehen. Also kommen die Panzer und setzen dem Spuk ein Ende. Er weiss nicht, wo das noch hinführt.
Aber er macht weiter. In der Hoffnung auf ein freies Leben schreibt er kritische Texte und Theaterstücke. Das gefällt der Machtelite überhaupt nicht. Sie belegen ihn mit einem Publikationsverbot. Sie werfen ihn ins Gefängnis. Insgesamt fünf Jahre schmort er hinter dicken Mauern. Er leidet. Er ist nicht der grosse Held. Er überlegt sich, seinen Widerstand aufzugeben. Er Wird krank. Er hat keine Ahnung, wo das alles hinführt.
Ausgerechnet dieser Mann, der weiss Gott harte Zeiten durchlebt und durchlitten hat, schreibt später den bemerkenswerten Satz: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ Das ist Advent. Advent im wahrsten Sinn des Wortes. Denn Advent heisst, das Gute erwarten, ohne es schon zu sehen. Advent heisst, auf das Gute hoffen ohne Gewissheit, dass es eintritt.
Dieser 12-jährige Junge, der kritische junge Mann, der leidende Gefangene – das war ist Vaclav Havel. Im Gefängnis konnte er nicht ahnen, dass er 1989 tschechoslowakischer Staatspräsident, 1993 tschechischer Präsident werden wird
Pfr. Harald Ratheiser