Ein Wort zum Tag

Der Wiener Jesuitenpater Laurenz Müllner hatte einen atheistischen Freund, den Philosophen Friedrich Jodl. «Der Jodl», erklärte der Pater einmal, «schaun’s, der Jodl glaubt wirklich, dass es keinen Gott gibt. Ich, ich glaub net amal das.» Nun, ich bin Pfarrer – ich sollte glauben. Das erwartet man von mir. Die meisten meinen damit vermutlich: Ein Pfarrer sollte an Gott glauben. Ok. Aber wenn das bereits alles ist, ist es ziemlich dürftig.
In unserer Alltagssprache beginnen wir viele Sätze mit: «Ich glaube, …» Ich glaube, es fängt bald an zu regnen. Ich glaube, diese Milch ist nicht mehr gut. Ich glaube, du hast da etwas zwischen den Zähnen. Glaube kann sehr banal sein. Wenn es aber um Religion geht, wird dieses Wort auf einmal zur zentnerschweren Last, weil da eine riesige Menge an Dingen mitschwingt, die man glauben sollte: z.B., dass Maria bei der Geburt von Jesus noch Jungfrau war; dass Jesus Lahme, Blinde und Kranke geheilt hat; dass die Israeliten beim Auszug aus Ägypten trockenen Fusses durch das Rote Meer hindurch der ägyptischen Armee entkamen; dass Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen hat usw. Uff, das alles sollte ich als Christ glauben, als jemand, der von der Frage nach Gott irgendwie nicht loskommt?
Die Wissenschaft sagt dazu: Das glaube ich nicht, weil es aufgrund der Naturgesetze nicht möglich ist. Zwar überzeugt mich auch diese Haltung nicht, insgesamt aber denke ich: Glaube als «für wahr halten» führt uns in sehr seichte Gewässer. Glaube als Vertrauen hingegen öffnet uns weites Land. Glaube als Vertrauen stellt unsere Füsse auf festen Boden. Plötzlich weicht das schwere «Uff» – es wird leicht. Denn Vertrauen kann uns gar nicht belasten. Vertrauen kann uns immer nur gut tun, lässt uns aufatmen, beschenkt unser Leben mit einem ganz besonderen Glanz. Vertrauen bekleidet mich mit einer Gelassenheit, die ich womöglich gar nicht exakt begründen kann.
«Glaube ist die Grundlage für das, was man hofft, und die Bürgschaft für das, was man nicht sieht.» (Hebr 11,1) So verstehe ich Vertrauen – Vertrauen in Gott, Vertrauen in das Leben. Glaube als Gottvertrauen ist Lust, ist Freude, ist Gewinn. Deshalb suche ich nicht Glaube als «für wahr halten». Ich suche und wünsche mir Glaube als Vertrauen: Vertrauen auf Sinn – auch dann, wenn alles dagegen zu sprechen scheint; Vertrauen auf Liebe, weil sie uns mehr Kraft schenkt als alles andere; Vertrauen auf das Eingebettet-Sein in einen Lebensfluss, was uns dunkle Momente überstehen hilft. Wer solches Vertrauen kennt, muss nicht auf eine Belohnung im Leben oder nach dem Leben warten – er resp. sie ist schon reich.
Der religionskritische Lorenz Marti, der kürzlich viel zu jung verstorbene Berner Schriftsteller und ehemalige Radioredaktor, schreibt («Türen auf», S. 73): «Das Wort Glaube meint … einen freundlichen Blick auf Leben und Welt. Wer ihn versucht, wird erleben, wie sich einiges öffnet, bewegt und zum Guten wandelt.» Solchen Glauben, solches Vertrauen suche ich. Ich behaupte nicht, schon angekommen zu sein. Ich bin eher auf dem Weg dahin. Dabei ist mir der Glaube als Vertrauen, als freundlicher Blick auf Leben, Welt und Gott ein Wegweiser und ein goldenes Ziel.
Pfr. Harald Ratheiser