Ein Wort zum Tag

Ich habe einen Coiffeur-Termin. Ich weiss: 9.00 Uhr. Am Morgen klingelt um 8.10 Uhr das Telefon. Am Apparat meine Coiffeuse: “Du hattest um 8.00 einen Termin.” Ich erschrecke: “Echt?! Ich habe 9.00 Uhr in meine Agenda geschrieben.”
Ich entschuldige mich, lasse alles stehen und liegen, renne los. Während des Haareschneidens diskutieren wir, wer denn nun den falschen Termin in seiner Agenda notiert hat. Wir wissen es nicht. Ist ja auch nicht so wichtig.
Zu Hause schaue ich nochmals nach – und da steht doch tatsächlich schwarz auf weiss: 8.00 Uhr Coiffeur. Unglaublich! Ich hatte am Vorabend und auch am Morgen in die Agenda geschaut und dabei immer 9.00 Uhr gelesen. Das macht mich dann doch nachdenklich. Nicht, dass ich mich geirrt habe, das kommt immer wieder vor. Aber dass ich etwas anderes gesehen und gelesen habe, als tatsächlich geschrieben stand!
Allerdings bestätigt diese kleine Episode bloss, was die Wissenschaft schon lange behauptet: Wir sehen, hören und wissen, was wir zu sehen, zu hören und zu wissen glauben. In meiner Agenda stand immer 8.00 Uhr. Aber weil ich überzeugt war, dass da 9.00 Uhr steht resp. stehen muss, habe ich auch immer 9.00 Uhr gelesen.
Das will ich mir merken. Hoffentlich macht mich das bei der nächsten Meinungsverschiedenheit etwas bescheidener und zurückhaltender. Denn: Wir können uns irren, auch wenn wir sicher zu wissen glauben, auch wenn wir überzeugt sind, “es” gesehen zu haben.
Pfr. Harald Ratheiser