Ein Wort zum Tag

In den Ferien stiess ich im soeben erschienenen Buch “Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens” des deutschen Philosophen Richard David Precht auf folgenden Satz (Seite 8):
“Wir sind keine defizitären Rechner, sondern empfindsame, verletzliche und resonanzbedürftige Wesen, die sich ihr Leben erzählen, um es mit Sinn auszustatten, der wichtigsten Requisite unseres eigenen Films. Wenn die gewohnte Resonanz ausbleibt, unsere Alltagsserie stockt, beginnt die Unruhe irritierter Instinkte.”
Precht steht den technologischen Allmachtsfantasien und Paradiesversprechungen sehr skeptisch gegenüber. Gerade der Corona-Lockdown habe gezeigt: “Wir sind … resonanzbedüftige Wesen”. Ob man seine Skepsis nun teilt oder nicht: Mit diesem Resonanzbezug trifft Precht ins Schwarze. Resonanz fehlt, wenn der Computer oder technologische Endgeräte unsere hauptsächlichen Gesprächspartner sind. Resonanz fehlt, wenn wir in den eigenen vier Wänden eingesperrt sind, wenn wir allein oder einsam sind. Resonanz fehlt, wenn wir Schönheit nicht teilen können, wenn niemand da ist, zu dem wir sagen können: “Schau mal!” Resonanz fehlt, wenn Freundschaft und Liebe fehlt.
Martin Buber wusste das bereits vor vielen Jahrzehnten, als er sagte: Gott begegnet uns nicht in einem abstrakten Es, sondern im konkreten Du anderer Menschen. Wenn ich Precht und Buber kombiniere, denke ich: In diesem Du geschieht Resonanz. Diesem Du erzählen wir unser Leben. In diesem Du erleben wir Sinn.
So ereignet sich Gott.
Pfr. Harald Ratheiser