Ein Wort zum Tag
Liebe Gemeindeglieder
An Pfingsten wird gerne über den «Turmbau zu Babel» gepredigt. Ich habe einen Text gefunden, dessen Quelle mir nicht mehr bekannt ist, der aber den Text aus 1.Mose 11,1-9 in unsere heutige Zeit treffend übersetzt hat:
Die Männer sprachen: Auf, lasst uns eine Stadt bauen und einen phallischen Turm, der aufragt bis in den Himmel. Ein triumphierendes Zeichen soll er werden unserer Herrenmacht über die Welt.
Und die Christen sprachen: Auf, lasst eine Weltkirche uns errichten, die urbi et orbi bezeugt, dass wir es sind, die die Wahrheit und das letzte Wort haben auf diesem Planeten.
Und die Führer der Konzerne und Völker sprachen: Auf, lasst einen Wirtschaftsraum uns planen von einem Ende des Himmels zum anderen. So werden wir einen Namen uns machen, und niemand mehr wird der Macht des globalen Marktes widerstehen.
Und die Forscher sprachen: Auf, lasst Fabriken und Laboratorien uns bauen, wo der Fortschritt allein als Gesetz gilt, wo keine Vorschriften den Fortschritt kleinlich behindern. So werden wir das Leben in den Griff bekommen bis in die Zell- und Atomkerne hinein.
Und die Normalverbraucher sprachen: Auf, lasst den Fortschritt nur unentwegt weiter fortschreiten, damit er den Erdball noch mehr erschliesse, und dessen enorme Ressourcen noch besser für uns verfügbar mache.
Da fuhr Gott herab, um zu sehen, was die Menschen planen und trieben. Und er verwirrte ihre gemeinsame Sprache. Und er zerstreute sie, so dass sie aufhören mussten, weiter zu bauen und Pläne zu schmieden.
Ich wünsche Ihnen, liebe Gemeindeglieder, ein gesegnetes Pfingstfest
Walter Oberkircher, Pfarramtsstellvertreter in Arbon
Gebet
Lass uns Kirche sein, die am Lernen ist.
Die die Fragen der Frauen hört, die das Suchen der Männer sieht
und nicht bloss uralte Einsichten wiederkäut, sondern ringt.
Lass uns Kirche sein, die menschlich ist.
Die warmherzig urteilt, die weitherzig lehrt, handfest dient und
nicht nach der Erhabenheit, sondern dem Boden fragt.
Lass uns Kirche sein, die wahrhaftig ist.
Die das Notwendige sagt, die das Erforderliche bezeugt und
sich nicht an den Spielen der Welt orientiert, sondern am Reich Gottes.
Jacqueline Keune in «ferment» 1/2005, S. 17